Über Pfingsten war ich, fern vom Berliner Fernsehturm, im Saarland. Dort gibt es ein neues Wahrzeichen: Das Saarpolygon, das im September 2016 eröffnet wurde.

Das Saarpolygon ist ein Denkmal zur Erinnerung an die Geschichte des Steinkohlebergbaus im Saarland. Im Verlauf der Jahre arbeitete der Steinkohlebergbau immer weniger rentabel. Erschwerend kamen Schäden an Häusern hinzu, die durch Gebirgsschläge verursacht wurden. Betroffene Hausbesitzer organisierten Proteste. Im Juni 2012 wurde nach mehr als 250 Jahren, in denen 1,5 Milliarden Tonnen Steinkohle gefördert wurden, die letzten Gruben im Saarland geschlossen.
Polygon bedeutet Vieleck und ja, das Saarpolygon hat ziemlich viele Ecken. Je nachdem, von wo aus man es betrachtet, zeigt es sich in verschiedenen Formen. Es möchte ein Symbol sein für Veränderung und Wandel. Die Stahlkonstruktion wurde von einem Architekten-Duo aus Berlin entworfen.
Das Saarpolygon ist knapp 30 Meter hoch. Oben im Querstück befindet sich eine 20 Meter lange Aussichtsplattform.
Bei gutem Wetter hat man eine atemberaubende Aussicht in Richtung Süden über die Saarauen, nach Ensdorf, Saarlouis, Dillingen, Saarbrücken, im Westen bis nach Lothringen und Luxemburg, in Richtung Norden bis nach Tholey und auf den Schaumberg und im Osten bis zur Göttelborner Höhe.
Errichtet ist das Denkmal auf der Bergehalde Duhamel in der Nähe der Gemeinde Ensdorf. Die Halde ist 150 Meter hoch und hat sich im Verlauf der Jahrzehnte aufgetürmt aus dem Gestein, das mit der Kohle nach über Tage gefördert wurde. Die Spitze wurde abgeflacht und hat eine Fläche von fast 50 Hektar. Ca. 30 Hektar sind mittlerweile begrünt und es wird sogar Wein angebaut.
Auf der Flachstrecke auf dem Weg nach oben soll sich eine Gedenkstätte befinden, die an die 299 Bergleute erinnert, die durch das Grubenunglück am 7. Februar 1962 im Bergwerk Luisenthal in der Nähe von Saarbrücken starben. Allerdings entdeckte ich auf meinem Weg nach oben keine Gedenkstätte. Naja, vielleicht war ich durch den am Wegrand blühenden Mohn abgelenkt…? 😉
„Die Grube Luisenthal galt wegen der hohen Grubengaskonzentration in den Flözen als sehr anfällig für Schlagwetter-Explosionen. Von 1904 bis 1954 kam es in der Grube zu 20 Bränden und Explosionen. 1941 kamen bei einer Explosion 41 Bergleute ums Leben. Aufgrund dieser Situation wurde die Grube mit modernster Technik ausgestattet und in Folge wegen ihrer hohen Sicherheitsstandards ausgezeichnet.“ (Wikipedia: Grubenunglück von Luisenthal)
Mein Schwiegervater Aloysius Staub (*1930 – †2003) arbeitete als Steiger in dieser Grube .
Kurz vor dem Unglück beendete Aloysius eine Doppelschicht. Ursprünglich hatte er vor, nach Ende der letzten Schicht noch nach zwei Mitarbeitern zu schauen. Da er jedoch sehr müde war, entschied er sich dagegen. Er wollte erst zuhause ein wenig schlafen und dann wieder kommen. Vermutlich rettete diese Entscheidung meinem Schwiegervater damals das Leben. Zum Zeitpunkt der Schlagwetterexplosion lag er bereits schlafend im Bett und war nicht mehr unter Tage.
In Luisenthal wird direkt neben der Statue der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, an das Grubenunglück von 1962 erinnert.
Immer wieder beeindruckt mich, mit welcher Begeisterung Bergleute – trotz der Gefahren – von ihrer Arbeit unter Tage erzählen. Es hört sich für mich mehr nach Berufung als nach Beruf an. Peter Marx, mein Urgroßonkel, hat diese Leidenschaft für die Grube verbunden mit seiner Leidenschaft für Musik. 1948 wurde er Dirigent des Saarknappenchors, den er bis 1965 leitete. Ihm und meinem Schwiegervater Aloysius Staub zu Ehren beende ich meinen Blogbeitrag mit dem Bergmannslied Glück auf, Glück auf!, gesungen vom Saarknappenchor.
Liebe Sabine,
schon das Foto mit der Mohnblume leuchtend vor kohlschwarzem Stein, Stahlkonstruktion und blauem Himmel zieht mich sofort in den Bann. Das Saarpolygon möchte ich unbedingt aufsuchen, wenn ich mal wieder auf Familienurlaub in der Pfalz (an der Grenze zum Saarland) bin.
Sehr gut gefällt mir auch, wie du den Bergbau durch deine Familiengeschichte erfahrbar machst. Dein Schwiegervater Aloysius und dein Urgroßonkel Peter als Bergmänner aus Leidenschaft bleiben mir in Erinnerung.
Herzliche Grüße
Ulrike
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Liebe Ulrike, wir Saarländer freuen uns immer sehr über sympathischen Besuch aus der Pfalz! 🙂
Herzliche Grüße, Sabine
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Liebe Sabine,
wieder hat dein Text mich sehr bewegt und Persönliches hochgegraben, ja sogar Wehmut, dass ich nicht mehr in diesem doofen Ministerium Dienst schiebe. Denn wir waren ja auch das Bergbau-Ministerium und einige Male habe ich den Minister zu Bergbauterminen begleitet oder mit ihm Grubenwehr-Ehrenzeichen verliehen. Noch gut kann ich mich an einige kantige Gesichter der Bergleute erinnern, echte Typen, sehr verwurzelt in ihrem Beruf. Und wenn sie das Steigerlied gesungen haben, zitterte ich richtig – bei Youtube ist mir das gerade nicht geglückt. Das Unglück in Unterbreizbach 2013 (https://de.wikipedia.org/wiki/Grubenungl%C3%BCck_im_Schacht_Unterbreizbach) hat mich daher besonders mitgenommen, weil ich eben einige dieser aus dem Kaliwerk kannte.
Trotz der räumlichen Nähe zum Saarland habe ich es als Kind nie als Bergbau-Region wahrgenommen. Danke für deine persönlichen Einblicke in diese untergegangene Welt, da kommst du also aus einer Bergmann-Familie …
Dein Titelfoto ist der Hammer! Der Kontrast von Grau und Feuerrot, von gewaltiger Technik und zarter Natur, großartig.
Du hast mich verdammt neugierig gemacht, einmal auf den Spuren des Bergbaus im Saarland zu wandeln. Ist ja gar nicht so weit von Rheinhessen aus.
Herzliche Grüße inne Hauptstadt, Amy:)
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Das Unglück in Unterbreizbach 2013 habe ich nicht mitbekommen. Danke dir für den Hinweis und deine Erinnerungen, liebe Amy. Für dein Wandeln auf den Spuren im Saarland kann ich neben Saarpolygon u.a. auch das Erlebnisbergwerk Velsen http://www.erlebnisbergwerkvelsen.de/, das Bergbaumuseum Bexbach http://www.saarl-bergbaumuseum-bexbach.de/content/pages/201.htm und nicht zuletzt den Brennenden Berg in der Nähe von Dudweiler empfehlen http://www.brennenderberg.de/, über den schon Goethe geschrieben hat. Liebe Grüße, Sabine
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Liebe Sabine,
mich hat dieses Titelfoto auch sofort in seinen Bann gezogen. Diese bombastisch erscheinende technische Konstruktion im Kontrast zur filigranen Mohnblume ist beeindruckend. Mit Deinen Blogbeiträgen arbeitest Du ein Stück weit Familiengeschichte auf, danke, dass wir Leser Dich dabei begleiten dürfen. Nebenbei gibt es dann auch noch Anregungen, wo es etwas Interessantes, nicht so Mainstream-Touristiges zu sehen gibt. Die Reise geht hoffentlich noch ein bisschen weiter. Liebe Grüße
Anne
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Danke, liebe Anne. Mich hat die kleine Mohnblume auf dieser riesig-grauen Fläche auch berührt und ihre zarte Stärke sehr beeindruckt. Herzliche Grüße, Sabine
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Hat dies auf Mia.Nachtschreiberin. rebloggt und kommentierte:
Liebe Sabine,
ich wiederhole mich in meinem Beitragskommentar, aber mich fasziniert das so treffende Foto ebenfalls:
Rot. Natur. Leben.
Grau. Metall. Künstlich.
Aussicht über Landschaft.
Über-all (Familien)Geschichte.
Danke,
liebe Grüße,
Mia
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… und danke dir für das kleine Gedicht, sehr treffende, schöne Worte! 🙂
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Liebe Sabine,
vielen Dank, dass Du uns dieses beeindruckende Bauwerk näher gebracht hast. Gleichfalls Dankeschön für die diesmal auch sehr persönlichen Einblicke.
Das Bildmit den Mohnblumen finde ich großartig, aber auch die anderen sind wieder einmal sehr schön.
Es war eine Freude, mal wieder mit dir unterwegs zu sein.
lg. mo…
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Dankeschön, liebe mo…! 🙂
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Hallo liebe Schwägerin,
zufällig habe ich deinen schönen Artikel gelesen. Es ist genau so dort wie du es geschrieben hast. Das Polygon ist ein Ausflug wert. Uns hat die Aussicht auch fasziniert. Der Tatsachenbericht von Papa hat mich wieder daran erinnert welch ein Glück unsere Familie hatte, dass Papa das Unglück über lebt hat.
Liebe Grüße
Bernhard
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