Wasserträume

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Nach regnerisch-kalten Maitagen gab es gestern nun endlich mal wieder ein wenig Sonne in Berlin! Ich war unterwegs auf der Oberbaumbrücke, die Friedrichshain mit Kreuzberg verbindet. Von dort hat man einen superschönen Blick auf den Berliner Fernsehturm. Eine meiner Lieblingsansichten. 😉

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Im 18. Jahrhundert befanden sich ganz in der Nähe der heutigen Brücke Holzstege, der schmale Durchlass in der Mitte wurde nachts durch einen Stamm versperrt, so dass eine Durchfahrt ohne Zahlen von Zöllen nicht möglich war. Dieser Stamm im Ostteil von Berlin wurde Oberbaum genannt. Im Westen der Stadt gab es den Unterbaum. Der Oberbaum gab der Brücke ihren Namen, die dort 1896 im Stil der märkischen Backsteingotik gebaut wurde. Vorbild für den Bau der beiden Türme auf der Brücke war der Mitteltorturm der Stadtmauer in Prenzlau.

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Zu Mauerzeiten war die Oberbaumbrücke für Auto- und U-Bahn-Verkehr gesperrt. Auf der Grundlage des Viermächteabkommens über Berlin und danach folgenden Transit- und Verkehrsverträgen zwischen der Bundesrepublik und der DDR war ab 1972 eine Überquerung der Brücke für Fußgänger aus dem Westen möglich.

Sehr schockiert und bewegt hat mich folgende Information, die ich im Wikipedia-Artikel zur Oberbaumbrücke las und mir bis dato nicht bekannt war:

„Da die Grenze am Kreuzberger Ufer (Gröbenufer) der Spree verlief, ertranken an der Oberbaumbrücke bis zur Unterzeichnung des Abkommens über Rettungsmaßnahmen bei Unglücksfällen in den Berliner Grenzgewässern am 29. Oktober 1975 mehrere Kreuzberger Kinder, weil ihnen von der Westseite aus nicht geholfen werden konnte und dies von der Ostseite aus unterblieb. 1976 wurde am südlichen Brückenkopf eine Notrufsäule installiert, nach deren Aktivierung Ertrinkenden Hilfe geleistet werden durfte.“

In den neunziger Jahren wurde die Oberbaumbrücke renoviert und seitdem kann man in der U-Bahnlinie 1, mit dem Auto und zu Fuß überqueren. 🙂

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Ich spazierte weiter Richtung Osthafen. Am Nordufer befindet sich die Pilotanlage der Initiative SPREE2011 mit großen, unter der Wasseroberfläche fest verankerten Behältern zum Auffangen und Speichern von Abwässern. Es ist ein Herzensprojekt des Ingenieurs Ralf Steeg, eindrücklich beschrieben im Buch „Der Wassermann“.

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Die Vision von Ralf Steeg: Die Spree soll wieder sauber werden. So sauber, dass die Großstädter darin baden, sich erfrischen und erholen können. Die Idee für seine Anlage entstand aus einer einleuchtend einfachen Überlegung: „Wenn ein Rohr leckt, stellt man einen Eimer drunter.“ Hintergrund ist: Die Kanalisation Berlins leckt nicht nur, sie läuft über. Jedes Jahr etwa dreißig bis vierzig Mal. Wenn es stark regnet und gewittert. Dann ergießen sich ungeklärte Abwässer der Hauptstadt in die Spree, bis zu 6 Milliarden Liter pro Jahr. Der Fluss wird immer wieder zur stinkenden Kloake, in der tonnenweise Fische sterben. Das Problem ist die Mischkanalisation Berlins: Haushaltsabwässer und Regenwasser fließen durch dieselben Kanäle. Wenn es zu viel und stark regnet ist die noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Kanalisation hoffnungslos überfordert. Die Speicheranlage wurde im April 2013 fertig gestellt. Sie fängt das überlaufende Abwasser auf und pumpt es nach Ende der Regenfälle, wenn die Kanalisation wieder aufnahmebereit ist, dorthin zurück und dann weiter zum Klärwerk. Damit die Spree nachhaltig davor geschützt wird, immer wieder durch Abwässer verschmutzt zu werden, müssten an sehr vielen Stellen in Berlin entsprechende Abwässerspeicher gebaut werden. Die Pilotanlage im Osthafen wurde im Frühjahr 2016 von den Berliner Wasserbetrieben gekauft.

Vom Schwimmen in der Spree träumt auch der Verein Flussbad Berlin. Die Idee seiner Mitglieder: Eine 840 Meter lange Badeanstalt, die sich im Spreekanal von der Schleusenbrücke bis zum Bodemuseum erstreckt. Damit der Traum auch Wirklichkeit werden kann, plant der Verein ein Filterbecken, mit dem das Spreewasser auf natürliche Weise gesäubert werden kann. Zum Testen verschiedener Filtersysteme wurde der Kahn Hans-Wilhelm umgebaut. Die Testphase soll zwei Jahre dauern und in diesem Frühjahr beginnen. Schwimmen kann man jedoch auch jetzt schon in der Spree: Am 2. Juli findet zum dritten Mal der Flussbad Pokal statt, veranstaltet vom Verein Flussbad Berlin in Kooperation mit der Berliner Triathlon Union und den Berliner Wasserbetrieben. Für das Wettschwimmen wird der Abschnitt des Spreekanals zwischen Schloss- und Monbijoubrücke an diesem Tag für Schiffe gesperrt und vorab das Wasser auf Bakterien und sonstige Krankheitserreger untersucht. Wenn es keine gesundheitlichen Bedenken gibt, geht’s Anfang Juli los mit dem Wettplantschen: Für mich ist das nichts, aber Mutige und Unerschrockene gerne vor. 😉

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„Unter mir liegt die Stadt, der Fluss. Breit und behäbig zieht er sich durch Berlin, ein Strom aus dem Osten. Ich sehe die flache weite Landschaft vor mir, durch die er fließt. Ich mag es, dass er so gar nichts Reißerisches hat, so gar nichts Dramatisches. Er bringt Ruhe in die aufgeregte Stadt.“ (aus: Der Wassermann, S. 106)

13 Kommentare Gib deinen ab

  1. Liebe Sabine,
    als gebürtiger Kreuzberger, habe ich mit Interesse deinen Beitrag über die Oberbaumbrücke gelesen und dabei einiges gelernt! Vielen Dank 🙂 Ich hoffe, dass ich bald meine Badehose einpacken und in der Spree schwimmen kann!

    LG Gökhan

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  2. Sabine Marx sagt:

    Na, das freut mich ja, dass du noch was Neues erfahren konntest. Das wird wohl noch einige Jährchen dauern, bis wir wirklich mit gutem Gefühl und ohne Neben- und Nachwirkungen in der Spree werden schwimmen können.

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  3. Urs Küenzi sagt:

    Liebe Sabine
    Und schon regnet’s wieder… Danke für Deinen lehrreichen Ausflug an die Spree. Ach, wie sehr wünschte ich mir, man könnte darin baden wie in der Züricher Limmat oder der Berner Aare. Ich bin guter Hoffnung, dass wir das noch erleben werden.
    Herzlich, Urs

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    1. Sabine Marx sagt:

      In der Aare bin ich auch schon mal geschwommen, lieber Urs. Das ist allerdings locker mal so 25 Jahre her. Ich weiß nicht, ob ich mich das heute wieder trauen würde. Ich habe die Aare sehr wild und schnell fließend in Erinnerung. Ich musste mindestens zehn Minuten vorher planen, wenn ich aussteigen wollte. Das war echt abenteuerlich und kraftaufwendig, wieder ans sichere Ufer zu gelangen. Puh! 😉

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  4. Hat dies auf Mia.Nachtschreiberin. rebloggt und kommentierte:
    Liebe Sabine,
    ich habe die Oberbaumbrücke eher durch Zufall entdeckt und ein mich bis heute noch sehr berührendes Gespräch mit einem jungen Mann geführt, der dort „lebt“ … Seitdem ist die Brücke mit ihm verbunden und wenn ich in der Nähe bin schaue ich bei ihm vorbei …
    Ich mag Wasser. Ich mag Brücken und am Wasser sitzen und einfach nur über die beruhigende Wasseroberfläche schauen. Das geht da super und die Idee mit dem Schwimmen in der Spreee finde ich genial gut; ich glaube, es war an einem meiner ersten Ausflüge in Berlin, als ich die alte Flußbadeanstalt nicht, aber dafür viele andere geniale Orte gefunden habe … 🙂
    Und, Wasserträume ist ein toller Titel, gefällt mir gut,
    liebe Grüße,
    Sabine

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  5. Martina sagt:

    🤗 man kann meist so viel lernen, wenn man seine Texte liest 🤓 schööön. ✌

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  6. kuechenmarie sagt:

    Liebe Sabine,
    ich finde es immer wieder schön mit der U-Bahn über diese Brücke zu fahren, einfach so, weil sie einfach da ist. Um so mehr werde ich es jetzt genießen, nachdem Du mir so viel Wissen für die Fahrt mit gibts. Das Baden im Fluß ist auch in Frankfurt schon seit ein paar Jahren ein Thema. Man hat auch zwischendurch überlegt, ob man ein Badeschiff auf dem Main installieren soll. Irgendwie sind diese Pläne aber inzwischen doch wohl den Bach runtergegangen.
    Liebe Grüße
    Anne

    Gefällt 1 Person

  7. Miss Novice sagt:

    Liebe Sabine,
    ähnlich wie bei deinem Beitrag über Rand-Mitte spüre ich auch hier, wie stark sich Berlin verändert, jeden Tag, doch ich schaue nur alle paar Jahre hin. Baukräne rund um die Warschauer Straße. Als ich vor zehn Tagen in Berlin war, habe ich an der Oberbaumbrücke übernachtet und bin im Dunklen noch spazierengegangen. Ich fühlte mich fremd in dieser Stadt, die mir früher so vertraut war, und war gleichzeitig fasziniert von dem Leben, das hinter dem Schlesischen Tor eingezogen ist. Kurz vor Mitternacht fand ich es allerdings gruselig, dort allein spazieren zu gehen, ständig bin ich von hinten angequatscht worden.
    Und was das Flussbaden angeht, da wäre ich dabei, in Rhein und Mosel war ich schon. Danke für den Sonntagsausflug! LG Amy

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  8. aussiefromgriffith sagt:

    Liebe Sabine,

    diese Brücke hat es mir auch besonders angetan, ich habe aber nie darauf geachtet, dass man von dort aus einen guten Blick auf den Alex hat und über die Geschichte der Brücke wusste ich auch nicht Bescheid. Vielen Dank also für die Infos und die Bilder – der Traum vom Plantschen in der Spree hat es mir angetan.

    alles Liebe

    Hedad

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  9. Liebe Sabine,
    spannend, was es alles so rund um die Oberbaumbrücke zu erfahren gibt! Ich hatte mal einen Kurs in der Nähe, daher habe ich sie auch vor Augen.
    Und auch wenn ich es etwas gruselig finde, in einem Fluss mitten in der Stadt zu schwimmen, hätte das was.
    Liebe Grüße

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  10. einblickdahinter sagt:

    Liebe Sabine,
    diesen Juli werde ich sicher noch nicht mit von der Partie sein, aber ich freue mich darauf, in ein paar Jahren mit zahlreichen Berlinern die Spree mal nicht nur vom Ufer zu sehen 🙂
    Da fällt mir ein: Mein Vater ist vor 50 Jahren (nicht als Einziger) völlig selbstverständlich im Rhein geschwommen. Meine Mutter hat mir letztens noch erzählt, wie er und seine Kollegen sich damals an die Schiffe gehängt und stromaufwärts haben ziehen lassen, um dann wieder flussabwärts zu schwimmen.
    Herzliche Grüße, Fe.

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    1. Sabine Marx sagt:

      Ja, mit der Spree fremdel ich im jetzigen Zustand auch noch sehr. Selbst wenn keine bedenklichen Bakterien festgestellt werden, bin ich im Juli auch definitiv nicht mit dabei. Schwimmen im Rhein ist auch heute wieder möglich, liebe Fe.. Vergangenen Sommer habe ich das in Basel gemacht, ein aufregendes und sehr erfrischendes Vergnügen! 🙂

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  11. Ulrike sagt:

    Liebe Sabine,
    vielen Dank für diesen vielseitigen Blick auf und ins Wasser. Ein Fluss kann zwei Ufer miteinander verbinden, aber auch trennen. Ich finde es tragisch, dass die Spree in Zeiten der Teilung Berlins und Deutschlands diese Grenzfunktion hatte. Umso erstrebenswerter, dass die Spree nun eine Quelle der Erholung und Verbindung zur Natur für die Berliner ist – oder sein könnte, wenn die Verschmutzung endlich eingedämmt wird. Es ist so schade, dass die Menschen immer noch so rücksichtslos mit den Ressourcen der Erde umgehen – und Wasser ist meiner Meinung nach die Wertvollsten von allen.
    Herzliche Grüße
    Ulrike

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