Vom Erinnern und Gedenken

Jetzt geht’s also los mit dem Bloggen. Ich freue mich und bin gespannt auf die kommenden Monate.  Für meinen ersten Beitrag bin ich heute direkt zum Fernsehturm gefahren. Ich wollte nicht rein und nicht rauf auf das mit 368 Metern höchste Bauwerk Deutschlands, doch gerne ganz in seiner Nähe sein. Viele Fotos sind entstanden, viel zu viele, um sie alle hier zu veröffentlichen. Der Turm kann sich einfach verdammt gut in Szene setzen und ist beneidenswert fotogen. Ganz besonders an so einem Sonn(en)tag wie heute.

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Ich möchte von zwei Begegnungen während meines Spaziergangs rund um den Turm erzählen, die beide auf unterschiedliche Art und Weise mit Erinnern und Gedenken zu tun haben. In der Rathausstraße kam ich an der Gedenktafel für Jonny K. vorbei. Der zwanzigjährige Mann wurde in der Nacht zum 14. Oktober 2012 Opfer eines tödlichen Angriffs, als er versuchte, seinem Freund in einem Streit mit anderen jungen Männern beizustehen. Einen Tag später starb Jonny K. im Krankenhaus, an den Folgen der Prügelattacke. Auch wenn dieser brutale Vorfall jetzt viereinhalb Jahre her ist: Die Blumen auf dem Boden neben der Gedenkplatte sind frisch. Ein kleines, aber nicht zu übersehendes, mahnendes  Zeichen des Mitgefühls und Respekts vor Zivilcourage. An einem Sonntagmittag mit vielen flanierenden Touristen und eisschleckenden Kindern fällt es mir schwer zu glauben, dass das Gebiet rund um den Bahnhof Alexanderplatz und den Fernsehturm eine der Regionen Berlins mit der höchsten Kriminalitätsstatistik ist.

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Ganz in der Nähe der Marienkirche beobachte ich eine Gruppe Jugendlicher, die sich vor einer großen Bronzefigur aufstellen und fotografieren lassen. Es ist Martin Luther, in einem langen Mantel, der eine aufgeschlagene Bibel hält. Ich frage ein Mädchen aus der Gruppe, woher sie kommen und warum sie sich vor Luther aufstellen. Aus Limburg an der Lahn, antwortet sie und erklärt lachend, dass im Reformationsjahr 2017 für einen evangelischen Jugendchor auf Chorfahrt in Berlin Martin Luther ja schon ein passendes Motiv sei. Seit Ende Oktober 2016 steht der Bronze-Luther an seinem historischen Ursprungsort.

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Die dreieinhalb Meter große Skulptur gehörte ehemals zu einer großen Denkmalanlage: Martin Luther als der  große Reformator im Zentrum, umringt von einigen Mit-Reformatoren als Begleitfiguren. Errichtet wurde das Lutherdenkmal 1895 auf dem Neuen Markt, Ecke Spandauer- und Kaiser-Wilhelm-Straße, heute Karl-Liebknecht-Straße. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden alle Begleitfiguren  eingeschmolzen. Luther wurde als Einzelfigur 1951 zunächst in die Turmhalle der Marienkirche versetzt und kam 1968 nach Weißensee in die Stephanus-Stiftung. 1989 wurde die Skulptur an der Nordseite der Marienkirche aufgestellt. Zum offiziellen Festakt zum Auftakt des Reformationsjubiläums 2017 im vergangenen Oktober kehrte sie dann auf den historischen Platz zurück. Eine Rekonstruktion des gesamten Denkmals von 1895, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, ist jedoch nicht geplant. „Vielmehr soll eine zeitgenössische künstlerische Arbeit verdeutlichen, wie Martin Luther heute, in der offenen, demokratischen, interkulturellen und transkonfessionellen Gesellschaft verstanden wird“, so die Info auf einer Stele neben dem Denkmal-Luther. Ich bin gespannt, wann die Bauarbeiten tatsächlich losgehen werden. Mein Verdacht: Im Reformationsjahr 2017 wird das nichts mehr.

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It’s magic: 368 Meter Fernsehturm verstecken sich hinter 48 Meter Marienkirche-Turm. 🙂

17 Kommentare Gib deinen ab

  1. Markus Trapp sagt:

    Vom „Ich wollte nicht rein und nicht rauf“ bis zu dem extrem lustigen Versteckten-Fernsehturm-Foto ein gelungener Auftakt Deines Blogs. Glückwunsch und Respekt!

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  2. Sabine Marx sagt:

    Danke Markus! Auch wenn ich es schließlich nicht in Anspruch genommen habe, so empfand ich es als „Blog-Greenhorn“ ungemein beruhigend, dich jederzeit um Hilfe fragen zu können. 🙂

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  3. Martina sagt:

    👍 schließe mich dem präzis erfassten Votum des „Vorschreibers“ Trapp an. 😎 ein steiler Auftakt 🍀💜 herzl. Gruß (heute noch) aus Köln – von Martina

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  4. Sabine Marx sagt:

    Dankeschön, liebe Martina und herzliche Grüße nach Köln! 🙂

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  5. Liebe Sabine, ein toller Blog- und Turm-Auftakt, was für geniale Aus- und AnSichten (d-)eines Turms. Meine Lieblingssätze: Ich wollte nicht rein und nicht rauf und 368 Meter Fernsehturm verstecken sich hinter 48 Meter Marienkirche-Turm. Eine Seite und ebenso die andere, die mit Jonny K. an das erinnert, was es da auch auch gibt, was mir auch zu den unterschiedlichsten Tag- und Nachtzeiten, zu denen ich schon dort gewesen bin, auch immer noch schwerfällt zu glauben.
    Ich freue mich auf jeden Fall auf mehr Ansichten (d-)eines Turms,
    herzliche Grüße nach Berlin,
    Sabine

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    1. Sabine Marx sagt:

      Vielen Dank, liebe Sabine! Ich freue mich auch schon, wenn ich über Ostern endlich mal Zeit finde, intensiver in den Blogs unserer KollegInnen zu lesen und dir als nachtschreiberin zu folgen. Eine „Der Mann im Mond“-Geschichte habe ich bereits gelesen und jetzt habe ich gesehen, dass es bereits Teil V gibt. Ich bin gespannt…:) Herzliche Grüße zurück, Sabine

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  6. miri sagt:

    Was für ein wunderschöner erster Blogbeitrag! Da kommt bei mir ja fast Heimweh Stimmung nach Berlin mit seinem Fernsehturm auf 😉

    Ich hab dich lieb! ❤

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  7. Sabine Marx sagt:

    Und ich dich erst: ❤ ❤ <3! Wie schön, dass dir mein erster Blogbeitrag gefällt! Und ja, Berlin hat auch Heimweh nach dir… Ich bin schon gespannt auf deinen nächsten Beitrag. 🙂 Dicken Kuss!

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  8. mosaiksrunen sagt:

    Liebe Sabine,
    eine tolle Blog-Idee! Ich finde es sehr spannend, Berlin aus dieser/ Deiner Turmperspektive zu erleben und dabei an Deinen Reflektionen teilzuhaben. Die Bilder passen hervorragend dazu. Wirklich ein gelungener Auftakt!

    Liebe Grüße
    mo…

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  9. Ulrike sagt:

    Liebe Sabine,
    für mich als Neu-Berlinerin ist der Fernsehturm auch ein fixer Orientierungspunkt im Stadtbild. Obwohl ich beim Landeanflug auf Berlin auch beim Anblick der 2 hässlichen Schornsteine direkt bei meinem Wohngebiet einen Anflug von Heimkehrgefühlen entwickelt habe.
    Vielen Dank für die facettenreichen Eindrücke am Fuße des Fernsehturms. Auf die Gedenktafel für Jonny K werde ich das nächste mal achten, wenn ich dort bin. Die Luther-Skulptur hat ja eine bewegte Geschichte. Die Fotos sind sehr stimmungsvoll. Witzig, wie der Turm sich hinter der Kirche versteckt.
    Bin gespannt auf weitere Ansichten.
    Viele Grüße
    Ulrike

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    1. Sabine Marx sagt:

      Das freut mich, dass dir meine Blog-Idee gefällt, liebe mo… Und danke dir für das Zusenden deines Turm-versteckt-sich-Fotos! 😉

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      1. Sabine Marx sagt:

        Liebe Ulrike,
        2 hässliche Schornsteine, die Heimkehrgefühle wecken: wie wunderbar! 🙂

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  10. einblickdahinter sagt:

    liebe Sabine,
    da sehe ich ihn täglich und denke nie nach über ihn — aber das wird sich ja nun ändern.
    tolle Idee! Heike.

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    1. Sabine Marx sagt:

      🙂 Dankeschön, liebe Heike!

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  11. Urs Küenzi sagt:

    Liebe Sabine
    Spannend wie Du dich diesem breitgetretenen Ort näherst! Deine Perspektive gefällt mir.
    Etwas wehmütig werde ich auch, weil mein allererstes Zimmer in Berlin in der einen Platte an der Karl-Liebknecht-Str. war. Manchmal vermisse ich die fantastische Aussicht über Berlin. Aber dann denke ich wieder an die Touristenmassen. Die einen, kaum trat man aus dem Haus, baten sie zu fotografieren. Aber bitte mit Marienkirche & Fernsehturm…
    Herzlich, Urs

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  12. Sabine Marx sagt:

    Wie cool, dass du dort in der Karl-Liebknecht-Straße gewohnt hast! Hätte ich mir gern angeschaut, deine damalige Wohnung. Aber ich kann verstehen, dass auf Dauer die Masse an Touristen direkt vor der Haustür nervten. 😉

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